Meine Geschichte

Diagnose: Diabetes

„Geh‘ zum lieben Gott und sag ihm du hättest einen Plan…der lacht dich aus!“

Treffender als mit diesen Worten meines Kumpels Semhar könnte ich mein Leben wohl kaum beschreiben. Dass das Leben in den meisten Fällen nicht den vorgesehenen Weg von A nach B nimmt, gehört wohl einfach dazu. Es geschehen Dinge, mit denen umzugehen man erst lernen muss. Ich dachte allerdings, dass ich diese Anforderung an das Leben nach meiner Diabetes-Diagnose im Frühling 2007, bereits erfüllt hätte. Von wegen…aber lest selber. Mit dem folgenden Text möchte ich euch einen kurzen Einblick in meine Geschichte geben.

Manchmal hielt ich mein Leben für einen Mix aus einer unglaublich schlechten Sitcom und einem düsteren Horrorfilm. Man weiß einerseits nicht, ob man weinen oder lachen soll, weil es so absurd bescheuert ist und andererseits möchte man den Fernseher einfach aus machen, weil das eigene Gemüt so viel Grausamkeit nicht erträgt. Ich verbrachte Jahre damit, mich aus den unterschiedlichsten Krisen herauskämpfen zu dürfen. In „schöner“ Regelmäßigkeit fand ich einen Scherbenhaufen vor mir, den es aufzukehren galt.

Oftmals habe ich mir einfach nur ein wenig Konstanz in meinem Leben gewünscht. Ich hatte nicht mal den Anspruch, dass mein Leben großartig oder super sein sollte. Ich sehnte mich lediglich nach einem konstanten Lebensniveau, das man als „okay“ bezeichnen würde.

Es gibt mit Sicherheit passendere Zeitpunkte für eine Diabetes-­Diagnose als kurz vor dem 18. Geburtstag. „Ärgerlich und nervig, aber machbar“, dachte ich mir. „Du kannst es ja eh nicht ändern.“ Ich passte mich also an und schaffte es, diesen Rückschlag relativ schnell wegzustecken. Als sportlich aktiver Mensch wurden mir direkt die Vorteile der Bewegung auf den Diabetes klar.

Meine MS-Diagnose

Ich blieb mit meinen Lebensplänen am Ball und verbrachte insgesamt wunderbare Jahre bis zum Mai 2013. Mitten in die Prüfungsvorbereitung der Erstsemesterklausuren meines Masterstudiums (Fach: Sports Business & Communication), mischten sich plötzlich Gleichgewichtsstörungen und Lähmungserscheinungen in der rechten Hälfte meines Körpers. Diagnose: Multiple Sklerose. Keine Ahnung, was diese Krankheit zu bedeuten hatte, wusste ich dennoch sofort, dass es sich hierbei um etwas heftiges handeln musste. Ab hier wurde alles anders. Mein Leben lag im Argen. Ich war Anfang 20 und jede Bewegung tat weh. Ich war immer müde, abgeschlagen, unkonzentriert, kraftlos und frustriert. Man hatte mir mitgeteilt, dass ich im Rollstuhl landen könne. Als Mensch, der die sportliche Betätigung liebt, brach für mich eine Welt zusammen. Ich wollte mich durch Bewegung und Lebensführung besser fühlen, aber wie das hinzukriegen war, konnten mir nicht einmal die Fachleute sagen. Fast schlimmer als die eigentliche Krankheit, waren die ersten Medikamente: Interferon beta. Jeden dritten Tag kamen Grippesymptome und Schwächeanfälle.

Wie sollte das bloß weitergehen? Nachdem ich wochenlang fast jeden Tag geheult und mich drei Monate nur zu Hause verschanzt hatte, versetzte ich mir irgendwann den Arschtritt meines Lebens. Ich stand auf und blickte in den Spiegel. Vor mir sah ich eine fremde Person. Ich kannte diese Person nicht, denn derart am Boden hatte ich mich noch nie gesehen. Es war der Startschuss mich aufzuraffen. Stück für Stück und mit der Hilfe meiner Familie begann ich diese schwere Krise zu überwinden und mich zu rehabilitieren. Trotz vieler Rückschläge und deprimierender Erfahrungen, schaffe ich es mir mein Leben zurückzuholen. Ich zog mein Studium durch und war stolz auf das, was ich erreicht hatte. Am Ende des Studiums beschlich mich dennoch das Gefühl wieder am Anfang zu stehen. Die hohen beruflichen Anforderungen der Branche schienen mit meiner Multiplen Sklerose nicht vereinbar zu sein. Das war eine frustrierende Erkenntnis, schließlich wollte ich in diesem Bereich gerne arbeiten. Ende 2015 rutschte ich in eine monatelange Findungskrise und befand mich von da an im Stillstand.

Angestachelt durch den Gedanken, wieder irgendwie Struktur in meinen Alltag zu bekommen, fragte ich in einem Fitnessstudio nach einem Job am Empfangstresen. Ich bekam ihn. Als ich die Personal Trainer bei der Arbeit sah, reifte in mir der Gedanke, es ihnen gleich zu tun und mich in meiner Arbeit auf das Betreuen von Menschen mit Diabetes und MS fokussieren zu wollen. Ich hatte plötzlich wieder eine berufliche Perspektive und startete mit der Weiterbildung als Fitnesstrainer neben meinem Job am Empfang.

Für einige Monate lief alles gut. Ich hatte meine Krankheiten im Griff und verfolgte eine berufliche Perspektive. Endlich hatte ich das Gefühl einen Lauf zu haben und voran zu kommen. Der MS-­Schub im Dezember 2016 und die zeitgleiche Trennung von meiner Ex-­Freundin ließen dieses Gefühl allerdings genauso schnell verschwinden wie es gekommen war. Anstatt in der Vorweihnachtszeit zu meiner Familie nach Hamburg zu fliegen, ging es für mich ins Krankenhaus nach Großhadern im Münchener Westen. Da sich der Sehnerv des linken Auges entzündet hatte, gab es mal wieder Kortison. Dass das Kortison meinen Blutzucker als Diabetiker über Tage bis Wochen in astronomische Höhen schießen ließ, trug nicht gerade zu meinem Wohlbefinden bei. Trotz mehrmaliger Infusionen im Dezember und im Januar blieben die Einschränkungen auf dem linken Auge bestehen und ich merkte wie diese heimtückische Krankheit in mir wütete. Ich legte meine Weiterbildung vorerst auf Eis und konzentrierte mich auf die Verarbeitung der Geschehnisse. Einige frustrierende Monate später war ich soweit…es ging wieder aufwärts. Trügerisch…denn ich hatte keine Ahnung, dass mir die schlimmste Zeit meines Lebens noch bevorstehen sollte.

Meine dritte Krankheit

Als wären Diabetes Typ 1 und Multiple Sklerose nicht anstrengend genug, sollte mir das Schicksal nämlich eine weitere Hürde gesundheitlicher Art in den Weg stellen, die es zu überwinden galt. Es ging zu wie an der Fleischtheke im Supermarkt: „Darf’s ein bisschen mehr sein, junger Mann?“ – „Gerne, legen Sie ruhig noch eine Erkrankung drauf. Ich habe ja erst zwei!“ – „Natürlich. Außerdem?“ – „Das war’s, danke. Zum Glück halten die Sachen ja ein Leben lang und ich bin erst in meinen 20ern, da habe ich lange genug was von. Tschüss!“.

Die dritte Krankheit im Bunde sind Zwänge. Zwanghafte Denk-­ und Verhaltensweisen, die mich mein Leben wie von einer unsichtbaren Kraft ferngesteuert ausführen ließen. Viele Jahre hatte ich meine Zwänge gut im Griff. Nachdem ich es gerade geschafft hatte die schwere Zeit des MS-Schubes mit der Anpassung auf ein stärkeres Medikament sowie die gleichzeitige Trennung von meiner Ex-Freundin zu verarbeiten, bemerkte ich aber, wie diese Dinge meine Zwänge in unkontrollierbarer Form ausarten ließen. In meinen Träumen von ihnen verfolgt und im Alltag von ihnen getrieben, hatte ich keine ruhige Minute mehr. Sieben Tage die Woche, 24 Stunden am Tag, stand ich unter absoluter Hochspannung und realisierte, dass ich von nun an gesundheitlich sogar an drei Fronten zu kämpfen hatte: Diabetes, MS und Zwänge.

„Das ist also mein Leben“, dachte ich. „Mit 17 Diabetes, mit 23 Multiple Sklerose und mit 27 Zwangsstörungen…das glaube ich ja selber kaum.“

Die Zwänge, die Ängste und die Panikattacken haben mir alles genommen. Ohne professionelle Hilfe, war dieser Kampf nicht zu gewinnen. Nachdem eine erste Therapie im Jahre 2017 fehl schlug und sich die Zwangsspirale immer weiter abwärts drehte, stand ich plötzlich da…am Rande dessen, was ein Mensch ertragen kann. Als optimistischer Mensch zu realisieren, wie der eigene Lebenswille zunehmend in den Hintergrund tritt, war unglaublich fürchterlich.

Meine Rettung

Was aber hat mich gerettet? Ich schätze es waren mein noch nicht vollends gebrochener Wille, der Rest an Kampfgeist und der Mut der Verzweiflung sowie die Sturheit nicht aufzugeben, die mich auf den Stuhl eines neuen Therapeuten trieben. Eine Person wie ich sie zuvor noch nie getroffen habe. Ein Geschenk, denn sie hat mir mein Leben zurückgegeben. Die Therapie war mühsam, manchmal sogar zermürbend, aber die harte Arbeit hat sich gelohnt.

Heute habe ich alles im Griff: Diabetes, MS und die Zwänge. Vor einigen Monaten sprach ich mit einer Bekannten ein bisschen über mein Leben. Irgendwann sagte ich zu ihr: „Es ist schon seltsam aktuell. Mir geht es gut, aber es fühlt sich ungewohnt an. Ich hatte das lange nicht mehr, keine größeren Probleme zu haben.“ Kurz nachdem ich das gesagt hatte, erschrak ich innerlich ein wenig, denn da wurde mir seit langer Zeit mal wieder bewusst, was es bedeutet wirklich frei zu sein.

In unserer gemeinsamen Arbeit möchte ich dir mehr von meinem Leben erzählen und auch deine Geschichte kennenlernen. Ich war am Boden…völlig am Ende mit meinem Leben. Ob du dich aus denselben Gründen wie ich am Boden befindest oder aus anderen, ist egal. Für die Empathie, die ich für deine Situation habe, spielen die Gründe nur eine untergeordnete Rolle.

Die Erfahrungen, die ich in den vergangenen Jahren gemacht und die Erkenntnisse, die ich gesammelt habe, werden Teil unserer Zusammenarbeit sein. Der Sport soll eins unserer Vehikel sein, um deine Lebensqualität zu steigern. Dieses Vehikel hat mich durch alle Krisen begleitet. Manchmal wurde es zum Fluch, da ich nicht akzeptieren konnte, mich nicht mehr in dem Maße belasten zu können wie vor meinen Krankheiten. Mittlerweile habe ich gelernt den Sport angemessen anzuwenden und damit als eine ganz essentielle Quelle für mein Wohlbefinden zu nutzen. Das gilt für den Diabetes, die Multiple Sklerose und die Zwänge. Noch heute stelle ich immer wieder mit positiver Überraschung fest: „Wahnsinn, was trotz dieser gesundheitlichen Vorbelastungen doch alles möglich ist.“

Heute geht es mir gut, sehr gut sogar und ich habe eine hohe Lebensqualität. Es war eine harte Zeit und ich arbeite weiterhin täglich daran mir meine zurückgewonnene Lebensqualität zu erhalten und weiterzuentwickeln.

Es ist die Fähigkeit schwierige Situationen zu überstehen und daran nicht zugrunde zu gehen, um danach geduldig zur vorherigen Lebensqualität zurückzufinden, die ich als wichtige Ressource in mir entdeckt habe. Sie ließ mich das Handwerkszeug für den erfolgreichen Umgang mit Diabetes Typ 1, Multipler Sklerose und Zwangsstörungen erlernen. Diese Fähigkeit steckt in jedem von uns…auch in dir!

Jetzt kennst du meine Geschichte…nun bin ich gespannt auf deine. Ob du selber an Diabetes, MS, einer anderen chronischen Erkrankung oder an gar keiner Erkrankung leidest, ist zunächst nicht ausschlaggebend. Schließlich eint alle meinen Kunden (mit und ohne chronische Krankheit) das Ziel durch den Sport ihre Lebensqualität zu steigern.

Ich weiß, welche Möglichkeiten der Sport bereit hält. Nutze die Chance. Ich kann entscheidend dazu beitragen auch deine Lebensqualität zu erhöhen.